Eine Antwort war gefragt: vor 500 Jahren, am 18. April - der damals ein Sonntag war. Martin Luther, Mönch und Professor für biblische Theologie an der Universität zu Wittenberg, ist von Kaiser Karl V. aufgefordert worden, seine Schriften, Aufsätze und Bücher zu widerrufen. Martin Luther antwortete allerdings nicht mit Ja oder Nein:

 

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Montagmorgen in Worms. Der 18. April – allerdings vor 500 Jahren. Martin Luther hat vermutlich im Johanniterhof wenig geschlafen. Fürsten und Grafen, die den Mönch und Theologieprofessor schätzten, hatten ihn über Nacht besucht oder von ihren Ratgebern besuchen lassen. All die, die in der Nacht ins Quartier von Martin Luther kamen, diskutierten mit ihm, wie er am 18. April auf die Frage reagieren würde, die der junge Kaiser Karl V. ihm hat stellen lassen. Johannes Eck, Berater am Hof des Erzbischofs von Mainz und einer der erbitterten Gegner von Martin Luther, hatte es zum Schluss noch einmal deutlich gemacht: Martin Luther sollte alle seine Schriften widerrufen. Eigentlich war es keine Frage, die ihm gestellt wurde, sondern eine in eine Frage verkleidete Anweisung.

Wieder geleitete der Reichsherold Luther zum Bischofshof, zum Tagungsort des Reichstages. Die anderen für diesen Tag angesetzten Verhandlungen verzögerten sich, so musste Martin Luther zwei Stunden in großem Gedränge vor dem Tagungssaal warten. Nach dem Ansturm am vorherigen Tag wurde an diesem Montag einem größeren Raum getagt. Trotzdem fanden nicht alle, die gern dabei sein wollten, Platz in dem überfüllten Raum.

Es ist Abend und damit dunkel geworden. Fackeln beleuchteten den Raum. Ob es im Raum so heiß war, weil so viele Menschen sich darin drängten, oder auch weil die Fackeln nicht nur schummriges Licht ausstrahlten, sondern auch Hitze abgaben, oder ob es die Angst vor dem war, was er nun sagen musste: Zumindest wurde später berichtet, dass Luther stark schwitzte.

Martin Luther tritt vor den Kaiser und spricht ihn an: „Allergnädigster Herr und Kaiser! Durchlauchtigste Fürsten! Gnädigste Herrn! Ich erscheine gehorsam zu dem Zeitpunkt, der mir gestern Abend bestimmt worden ist, und bitte die allergnädigste Majestät und die durchlauchtigsten Fürsten und Herren um Gottes Barmherzigkeit wollen, sie möchten meine Sache, die hoffe ich, gerecht und wahrhaftig ist, in Gnaden anhören. Und wenn ich aus Unkenntnis irgend jemand nicht in der richtigen Form anreden oder sonst in irgendeiner Weise gegen höfischen Brauch und Benehmen verstoßen sollte, so bitte ich, mir dies freundlich zu verzeihen; denn ich bin nicht bei Hofe, sondern im engen mönchischen Winkel aufgewachsen und kann von mir nur dies sagen, daß ich bis auf diesen Tag mit meinen Lehren und Schriften einzig Gottes Ruhm und die redliche Unterweisung der Christen einfältigen Herzens erstrebt habe.“

Dann bestätigt Martin Luther noch einmal, was er am Vortage schon gesagt hat: „Es sind meine Bücher, die ich selbst unter meinem Namen veröffentlicht habe, vorausgesetzt, daß die Tücke meiner Feinde oder eine unzeitige Klugheit darin nicht etwa nachträglich etwas geändert oder fälschlich gestrichen hat. Denn ich erkenne schlechterdings nur das an, was allein mein eigen und von mir allein geschrieben ist, aber keine weisen Auslegungen von anderer Seite.“

Auf die zweite – und entscheidende – Frage antwortet Martin Luther ausführlicher. Er weist den Kaiser und die Fürsten darauf hin, dass nicht alle seine Bücher den gleichen Charakter haben. Seine ausführliche Rede – hier nachzulesen – endete mit den Sätzen: „Weil denn Eure allergnädigste Majestät und fürstlichen Gnaden eine einfache Antwort verlangen, will ich sie ohne Spitzfindigkeiten und unverfänglich erteilen, nämlich so: Wenn ich nicht mit Zeugnissen der Schrift oder mit offenbaren Vernunftgründen besiegt werde, so bleibe ich von den Schriftstellen besiegt, die ich angeführt habe, und mein Gewissen bleibt gefangen in Gottes Wort. Denn ich glaube weder dem Papst noch den Konzilien allein, weil es offenkundig ist, daß sie öfters geirrt und sich selbst widersprochen haben. Widerrufen kann und will ich nichts, weil es weder sicher noch geraten ist, etwas gegen sein Gewissen zu tun.Gott helfe mir, Amen.

Den berühmten und häufig zitierten Satz: „Hier stehe ich, kann nicht anders.“ hat er nicht gesagt, auch wenn der Tenor des Satzes sicher dem entspricht, was Martin Luther gefühlt hat. Der Satz, den vermutlich ein Drucker in Wittenberg in die Verteidigungsrede von Martin Luther eingefügt hat, wirkt allerdings trotziger als die ausführlich argumentative Begründung, die Luther auf die nicht gestellte Frage gegeben hat, warum er seine Schriften nicht widerrufe.

Ob der Kaiser begriffen hat, was es bedeutet, dass Martin Luther sich auf die heilige Schrift und sein eigenes Gewissen beruft, um nicht zu widersprechen, kann bezweifelt werden. Er brachte auf jeden Fall gegen die Argumentation nur den Vorwurf des Irrtums: „… Denn es ist sicher, dass ein einzelner Mönch in seiner Meinung irrt, wenn diese gegen die der ganzen Christenheit, wie sie seit mehr als tausend Jahren gelehrt wird, steht. Deshalb bin ich fest entschlossen, an diese Sache meine Reiche und Herrschaften, mein Leib, mein Blut und meine Seele zu setzen.“

Gegen Martin Luthers inhaltlich-qualitatives Argumentieren setzte der Herrscher über das „Heilige römische Reich deutscher Nation“ einzig die Tradition und das Argument der Macht.

Erzählt wird, dass Martin Luther aus dem Tagungsgebäude des reichstages trat und der wartenden Menschenmenge zugerufen habe: „Ich bin hindurch!“ – Doch damit hat er sich geirrt.

 Was am Tag davor geschehen ist, kann hier nachgelesen werden.