Der Himmel geht über allen auf

 

Die Evangelische Zeitrung hat Pastor Christof Vetter gebeten, sich Gedanken zum zweiten Advent zu machen:

Wolkenverhangen, die letzten Tage des Herbstes. Wolkenverhangen und grau. Der Schrei erklingt, wann der Himmel endlich wieder aufreiße, Sonnenstrahlen alles in Licht tauchen.

Das Leben schreit nach Licht und Gottes Gegenwart: „Reiß doch den Himmel auf und komm herab, sodass die Berge vor dir beben!“ So hat Jesaja verzweifelt gerufen, als er gesehenhat, wie die Menschen hungerten und dürsteten – nicht nur nach Bot und Wasser, sondern nach Gerechtigkeit und Friede. Im Namen des Volkes schreit er die Hoffnung hinaus: Gott möge eingreifen, wie es kein Auge bisher gesehen hat.

Jahrhunderte später rief der Liederdichter Friedrich Spee in gleicher Sehnsucht: „O Heiland, reiß die Himmel auf, herab, herab vom Himmel lauf, reiß ab vom Himmel Tor und Tür, reiß ab, wo Schloss und Riegel für.“ Ein unüberhörbarer Protest gegen das Leid, das der 30jährige Krieg mit Hunger, Pest und Cholera im Land verbreitete. Friedrich Speewünschte sich ein Eingreifen Gottes, wie es noch nie jemand vernommen, noch niemand gehört hat.

Gott reiße den Himmel auf und widerspreche mit seiner Gegenwart all dem, woran Menschen und seine Schöpfung leiden. Welch gewaltige Hoffnung, welcher unglaubliche Protest für das Leben: Von Jesaja herkommend über Friedrich Spee klingt dies bis zu uns: Wer am zweiten Advent aufsteht und sein Haupt erhebt, wer am zweiten Advent anstimmt: „O Heiland, reiß die Himmel auf“, der reiht sich ein bei denen, die für das Leben demonstrieren: etwa freitags, weil die Erwärmung des Klimas jetzt gestoppt werden muss. Wer so aufsteht und sein Haupt erhebt und von Gottes Gegenwart singt, widerspricht denen, die mit querem Denken egoistisch auf individuelle Freiheiten pochen und der Einladung zum Impfen widerstehen. Wer so protesteiert, hofft auf den einen Moment, in dem Gott den Himmel öffnet in einem Stall in Bethlehem: „Da wollen wir all loben dich zu aller Zeit und ewiglich.“

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