Gedanken zu Ostern:
Am Ende bleibt Entsetzen.
Drei Frauen gehen hinaus.
Sie fliehen vom Grab,
fliehen vor dem Engel,
fliehen mit Zittern und Entsetzen.
Der Jubel bleibt aus.
Dieses Mal verfängt die Botschaft nicht.
Der Evangelist Markus erzählt in diesem Jahr:
Entsetzen.
Am Ende bleibt Entsetzen.
Dabei sehnen wir uns so
nach einem fröhlichen Fest
und gemeinsamen Lachen.
Doch dieses Mal: Nur Entsetzen.
Die Frauen kommen mit Entsetzen zum Grab,
die Frauen entsetzen sich, als sie den Engel sehen,
die Frauen fliehen mit Entsetzen.
„Entsetzen“, am Anfang, in der Mitte, am Ende.
Es bleibt Entsetzen.
Ändert sich denn gar nichts durch Ostern?
Gehen wir alle wieder,
wie wir gekommen sind?
Es ist wie immer:
Wer drei Tage zuvor einen lieben Menschen begraben hat,
klatscht Ostern nicht plötzlich in die Hände,
jubelt nicht laut und lacht nicht schallend.
Die Inzidenzzahlen bleiben von Ostern unbeeindruckt stabil hoch.
Der mörderische Krieg in der Ukraine nimmt kein Ende,
Ostern hin oder her.
Soziale Lebenswelten bei uns driften weiter unaufhaltsam auseinander.
Morgen ist alles wieder,
so wie es letzte Woche war.
Alles wieder im alten Trott?
Oder doch nicht?
Der Stein weggewälzt.
Ein Engel spricht.
Der, der so jämmerlich gestorben ist,
der, der tot war,
ist nicht mehr tot.
Das alte Weltbild steht auf dem Kopf.
Die Frauen sind entsetzt.
Entsetzen kommt von „entsitzen“
und meint „vom Sitzen entfernen“,
von dem Platz, auf dem wir immer sind.
Die Frauen werden von ihren gewohnten Plätzen geschubst,
aus ihren bitteren Lebenswahrheiten gestoßen;
Lebenswahrheiten, die schon immer gegolten haben;
Lebenswahrheiten, die das Kreuz auf Golgatha noch einmal aufgerichtet hat,
Lebenswahrheiten, die die russische Soldateska in der Ukraine gerade unterstreicht,
und all die Kriege im Jemen, in Mali, in Syrien und an so vielen Orten der Welt.
Unser Entsetzen:
Was ist noch wahr, wenn nicht der Tod,
sondern Gott das letzte Wort hat?
Ostern schubst uns von unseren Sitzen.
Es pflanzt in uns einen rebellischen,
einen protestantischen,
einen österlichen Zweifel ein.
Der kratzt an unserer Unbeweglichkeit,
an unserem lethargischen Egoismus,
er ist respektlos gegenüber allen Weisheiten,
die schon immer gegolten haben.
Er ist quicklebendig.
Ein kurzer Satz schubst Mächte und Gewalten vom Sockel:
„Er ist auferstanden.“
Gott hat die Macht.
Gott ent-setzt.
Gott packt uns an der Hand.
Gott bringt uns ins Stehen.
Auferstehen.