Christof Vetter am Kirchentagssonntag mit seinen Gedanken zu der Botschaft: "Jetzt ist die Zeit" - Jetzt ist auf jeden Fall die Zeit, sich zum Kirchentag anzumelden...:
Jetzt ist die Zeit … Das hat Jesus gesagt. Damals. Am Beginn seiner Zeit als umherziehender Wanderrabbi.
Jetzt ist die Zeit … Das hat Jesus gesagt. Damals. Als Johannes gerade verhaftet worden ist – Johannes, der Prediger in der Wüste, der die Menschen zur Umkehr aufgerufen und sie getauft hat.
Jetzt ist die Zeit … Das hat Jesus gesagt. Damals. Er hat die Jünger um sich gesammelt und ist durchs Land gezogen – von Ort zu Ort – er hat Menschen geheilt und das Evangelium gepredigt.
Jetzt ist die Zeit … Das hat Jesus gesagt. Damals.
Jetzt ist die Zeit … Das haben Wissenschaftler*innen und Fachleute aus 30 Nationen vor 50 Jahren festgestellt. „Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit.“ 1972 erschienen – da war ich zwölf Jahre alt, noch nicht konfirmiert. Ich kann mich erinnern, dass einige Jahre später unser Religionslehrer uns von diesem Bericht erzählt hat. Wir haben eine Arbeitsgemeinschaft gegründet und das rororo-Taschenbuch – freiwillig – miteinander gelesen: „Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.“ Das war 1972 – jetzt ist die Zeit.
Viele haben den Bericht gelesen, der Club of Rome hat 1975 dafür den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels bekommen, wir haben es diskutiert – auch auf Kirchentagen. Heute wissen wir – Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sagen es uns immer und immer wieder und jene junge Menschen, die sich als letzte Generation verstehen, betonen es mit ihren Aktionen: Was die Wissenschaftler damals angekündigt hat, wird in Kürze eintreffen: „Unsere gegenwärtige Situation ist so verwickelt und so sehr Ergebnis vielfältiger menschlicher Bestrebungen, dass keine Kombination rein technischer, wirtschaftlicher oder gesetzlicher Maßnahmen eine wesentliche Besserung bewirken kann. Ganz neue Vorgehensweisen sind erforderlich, um die Menschheit auf Ziele auszurichten, die anstelle weiteren Wachstums auf Gleichgewichtszustände führen. Sie erfordern ein außergewöhnliches Maß von Verständnis, Vorstellungskraft und politischem und moralischem Mut.“
Auch das ein Zitat, das 51 Jahre alt ist, aus jenem Buch, jenem Bericht des Club of Rome. Auch das nichts anderes als die Beschreibung heutiger Wirklichkeit: Jetzt ist die Zeit… Damals hat der Club of Rome vertraut, dass „diese Anstrengungen geleistet werden können, und hoffen, dass diese Veröffentlichung dazu beiträgt, die hierfür notwendigen Kräfte zu mobilisieren.“
Heute muss ich eingestehen – für meine Person – ich bin schuldig geworden: ich habe gelesen, nicht nur den Bericht vom Club of Rome, ich habe es diskutiert, ich habe vor dem Untergang gewarnt – aber ich habe nicht verhindert und bin selbst auch immer wieder großzügig gewesen. Doch der Verbrauch der Ressourcen und die Verschmutzung der Erde und die Erwärmung des Klimas ist unvermindert weiter gegangen: Heute stehe ich da und fragen mich, wo ist die Zeit geblieben.
Jetzt ist die Zeit… Das sagt Jesus zu uns heute: „Jetzt ist die Zeit: Gottes gerechte Welt ist nahe. Kehrt um und vertraut der frohen Botschaft!“ Jetzt ist die Zeit… Und Jesus spricht anders als der Club of Rome damals oder die letzte Generation heute. Jesus spricht anders, als die, die sagen wollen, wie andere zu leben haben. Sie wecken damit auch meinen Widerstand.
Jesu lädt ein, lädt mich auch nach diesen 50 Jahren ein: kehrt um und vertraut der frohen Botschaft, der guten Nachricht, dem Evangelium. Jesus lädt ein – da ist kein: Du musst. Da ist kein Zwang. Da ist kein Druck, da ist auch keine Drohung, dass der Untergang nahe ist. Jesus weiß, dass wir dies alles wissen. Jesus ist nicht der klassische Oberlehrer oder gar Fräulein Rottenmeier, die das Leben nicht kennt, aber alles besser weiß.
Jesu stellt einfach mein Leben, unser aller Leben auf den Kopf:
Wir sagen: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.
Wir sagen: Früher war alles besser.
Wir sagen: Wer A sagt, muss auch B sagen.
Wir sagen: Worte, wie „Buße“ oder „Umkehr“ sind von gestern.
Brauchen wir nicht mehr. Sind out.
Aber was ist, wenn alles umgekehrt ist?
Was ist, wenn es nicht heißt: Du musst büßen, du musst umkehren,
sondern Du darfst?
Wenn die Umkehr nicht zur Abkehr, sondern zur Heimkehr führt –
direkt in Gottes Arme?
Was ist, wenn du nach dem A nicht mit B weitermachen musst,
sondern deinen Standpunkt ändern darfst, ohne dein Gesicht zu verlieren?
Wenn du frei bist, die Richtung zu wählen.
Was ist, wenn nicht früher die beste Zeit war, sondern jetzt die Zeit ist?
Jetzt ist die Zeit, um zu handeln.
Jetzt ist die Zeit, um umzudenken, umzukehren, um zu glauben.
Jetzt ist die Zeit, sich zum Kirchentag anzumelden,
Nach Nürnberg zu fahren und all die Fragen zu diskutieren.
Jetzt ist die Zeit, um zu hoffen und zu lieben und diese Welt umzukehren.
So wie der, der die Zeit in Händen hält, der alles vom Kopf auf die Füße stellt und unters Kreuz.
Der gesagt hat: Kehrt um.
Die Ewige, die sagt: Die letzten werden die ersten sein.
Und sagt: Nicht die Starken werden siegen,
sondern den Friedfertigen gehört das Himmelreich.
Gott sagt: Ich bin bei euch alle Tage.
Sagt: Steh auf, kehr um, sei mutig, wage!
Sagt: Alles ist bereit.
Sagt: Jetzt ist die Zeit.
Amen.