Mit einer Mischung aus Erschrecken und Bewunderung schaue ich auf Menschen, die in ihrem Leben Widerstand geleistet und dabei Karriere, Leib und geordnetes Leben aufs Spiel gesetzt haben. So ein Mutausbruch war ein Auslöser der Reformation: Martin Luther wurde gefragt, ob er die Inhalte seiner zahlreichen Veröffentlichungen widerrufe. Nach einer – vermutlich schlaflosen – Nacht Bedenkzeit hat er erklärt, dass er seine Schriften widerrufen werde, wenn ihm durch biblische Texte nachgewiesen werden könne, dass er sich geirrt habe. „Solange mein Gewissen durch die Worte Gottes gefangen ist, kann und will ich nichts widerrufen, weil es unsicher ist und die Seligkeit bedroht, etwas gegen das Gewissen zu tun. Gott helfe mir. Amen." Um zu zeigen, welch Mutausbruch dies war, wurde später erzählt, er habe gesagt: „Hier steh‘ ich, ich kann nicht anders.“ Auch wenn er es nicht gesagt hat, zeigt es, wie entschieden dieser Mutausbruch war.
Vor 40 Jahren haben Menschen im Osten des damals geteilten Deutschlands diesen Mutausbruch aufgenommen. Im Innenhof des Klosters, in dem Martin Luther gelebt hatte, brannte ein Feuer. Dort haben viele gebetet, gesungen und gefeiert – der diktatorische Staat lässt es zu: Kirchentag in Wittenberg. Dann passiert, was selbst die Stasi nicht verhindern konnte: Der Kunstschmied Stefan Nau schmiedet vor mehr als zweitausend begeisterten Menschen ein Schwert zu einer Pflugschar um. Währenddessen liest Friedrich Schorlemmer, zu dieser Zeit Pfarrer in Wittenberg, biblische und politische Texte. Die Aktion erinnert an den Propheten Micha: „Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.“ Sebastian Nau erlebte, dass nach der Aktion vieles in seinem Leben nicht mehr war wie zuvor.
Ich sehne mich danach, dass in mir und vielen Mut ausbricht, aufzustehen gegen die Gewalttätigkeit unserer Zeit, ob in der Ukraine oder m Nahen Osten: „Selig sind die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen.“
Gedanken zum Reformationsfest von Pastor Christof Vetter, zuerst veröffentlich bei "Hallo Sonntag" am 28. Oktober und bei "radio aktiv" am 31. Otober