Rede Dr. Stephan Vasel web 05

Superintendent Stephan Vasel bei der Kundgebung "Laut gegen rechts" am 10. Februar im Bürgergarten in Hameln:

Es gehen in diesen Tagen viele Menschen auf die Straße, die noch nie oder schon lange nicht mehr an einer Demonstration teilgenommen haben. Und wir machen als Kirchen mit. Das ist ein Lernen aus der Geschichte. Vor hundert Jahren war es anders. Die Demokratie von Weimar scheiterte auch daran, dass große Teile meiner evangelischen Kirche sich zunächst nach dem Kaiserreich zurücksehnten und dann in weiten Teilen Hitler zujubelten. Heute sind wir stolz auf Menschen wie Dietrich Bonhoeffer. Doch zur Wahrheit gehört leider auch: Die meisten dachten damals anders. Das heute so vertraute Einstehen für Freiheit, Toleranz und Menschenrechte musste mühsam errungen werden. 

Bonhoeffer diskutierte viel, was man gegen eine Diktatur tun kann. Ein Freund hatte die Idee, man könne doch den Deutschen Christen beitreten und Überzeugungsarbeit von innen leisten. Darauf sagte Bonhoeffer: „Wenn man in einen falschen Zug einsteigt, nützt es nichts, wenn man im Gang entgegen der Fahrtrichtung läuft." Ich glaube: Dies ist genau unsere Situation heute. Viele Menschen sind in einen falschen Zug gestiegen. Wir brauchen Ausstiegs- und Umstiegshilfen. So eine Art Bahnhofsmission für ehemalige Demokratinnen und Demokraten. 1945 war sehr offen, ob es mit der Demokratie in unserem Land klappen kann.

Heute ist das anders. Wir leben in einer geglückten Demokratie, die erheblichen Angriffen ausgesetzt ist. Das Beste, was wir tun können, ist: Demokratisch zu leben! Treten Sie in Parteien ein. Gestalten Sie das öffentliche Leben mit in Vereinen, bei der Feuerwehr, in Schulelternräten oder im Kirchenvorstand. Gehen Sie wählen. Und widersprechen Sie, wenn sich jemand völkisch, antisemitisch oder menschenfeindlich äußert.

Mit unserer Demonstration zeigen wir heute: Es gibt keinen Fachkräftemangel an Demokratinnen und Demokraten in unserem Land. Denn wir sind hier. Wir sind viele. Entschieden wenden wir uns gegen all die Aushöhlungen von Anstand, Würde und Freiheit!